PRESSEMITTEILUNG

Potenziale am Kapitalmarkt stärker nutzen

  • Gut entwickelte und liquide Kapitalmärkte können langfristig Wachstum fördern, Risiken diversifizieren und Haushalten renditestarke Anlagemöglichkeiten bieten.
  • Die europäischen Kapitalmärkte sind stark fragmentiert und das Angebot an kapitalmarktbasierter Unternehmensfinanzierung ist unzureichend.
  • In Deutschland sind Unternehmen stark von Bankkrediten abhängig und es fehlt an Wagniskapital. Institutionelle Investoren, etwa Pensionsfonds, sollten stärker zur kapitalmarktbasierten Unternehmensfinanzierung beitragen.

Für langfristiges Wachstum sind gut entwickelte und liquide Kapitalmärkte unabdingbar. Sie unterstützen, dass das Kapital seine produktivste Verwendung findet. Kapitalmarktbasierte Finanzierung stärkt Investitionen in neue, riskantere Technologien sowie in Forschung und Entwicklung. Damit ist sie für den Erfolg der digitalen und grünen Transformation unverzichtbar. In Deutschland jedoch finanzieren sich Unternehmen vergleichsweise einseitig über Bankkredite. Zwar sind Wagniskapitalinvestitionen gestiegen, es besteht aber noch Nachholbedarf bei der Wachstumsfinanzierung von jungen Unternehmen. Institutionelle Investoren, die in Europa aktiv sind und über viel Kapital verfügen, investieren zu selten über Aktienmärkte oder über Wagniskapital direkt in Unternehmen.

Eine staatliche Kofinanzierung sollte so ausgestaltet werden, dass private Investitionen mobilisiert werden, um diesem Marktsegment nachhaltig das nötige Volumen zu verschaffen. Gleichzeitig müssen die Exit-Optionen für Wagniskapitalgeber verbessert werden. Die besten Renditeaussichten bei der Veräußerung der Beteiligungen ergeben sich für Wagniskapitalinvestoren häufig bei einem Börsengang. Allerdings stellt der in Deutschland vergleichsweise kleine IPO-Markt (Initial Public Offering) ein Hindernis dar. „In Deutschland investieren die großen institutionellen Investoren wenig in Wagniskapital. Dadurch fehlt es einerseits an großen Investoren, die große Finanzierungsrunden in der Wachstumsphase mitgehen können. Gleichzeitig mangelt es an den Kapitalmärkten an Tiefe, damit ein Börsengang attraktive Erlöse erzielt“, erläutert Ulrike Malmendier, Mitglied des Sachverständigenrates Wirtschaft.

In Deutschland treten Pensionsfonds in deutlich geringerem Umfang als Kapitalsammelstellen auf als in vielen anderen Ländern. Institutionelle Investoren wie Pensionsfonds und Versicherungen sollten befähigt werden, stärker in risikoreichere Anlageklassen wie Aktien oder Wagnis­kapital zu investieren. Dafür sollten regulatorische Hemmnisse wie quantitative Anlagegrenzen für Pensionskassen überprüft und vereinheitlicht werden.

Trotz der Kapitalverkehrsfreiheit sind die Kapitalmärkte in der EU noch immer stark fragmentiert. Um die Fragmentierung zu reduzieren, sollte die regulatorische Harmonisierung, zum Beispiel bei finanzieller Berichterstattung oder bei der steuerlichen Behandlung von grenzüberschreitenden Investitionen, vorangetrieben werden. Eine starke europäische Aufsicht durch die European Securities and Markets Authority (ESMA) könnte die Harmonisierung und Integration vorantreiben und wäre somit ein wichtiger Schritt hin zur Vollendung der Kapitalmarkt-union. Stärker integrierte, europäische Kapitalmärkte können Risiken diversifizieren und bieten Unternehmen ein breites Spektrum von Finanzierungsmöglichkeiten, insbesondere in Form von Eigenkapital. Dies reduziert die Abhängigkeit von der Kreditvergabe lokaler Banken und sorgt dafür, dass lokale Schocks im Bankensektor weniger stark auf die Realwirtschaft übergreifen.

Der Ausbau der kapitalgedeckten Altersvorsorge in Deutschland kann – ähnlich wie in den skandinavischen Ländern – einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung des Kapitalmarktes leisten. Würde ein öffentlich verwalteter Pensionsfonds als zusätzlicher Baustein einer kapitalgedeckten Altersvorsorge eingerichtet, könnten mehr Haushalte am Kapitalmarkt mit attraktiven Anlagemöglichkeiten teilnehmen und zur Entwicklung einer dynamischen Aktienkultur beitragen. Um bereits Kinder und Jugendliche mit dem Kapitalmarkt vertraut zu machen, wäre ein „Startkapital“ für sie vielversprechend, das beispielsweise in einen breit diversifizierten Anlagefonds investiert wird. Gleichzeitig sollte die Finanzbildung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen verbessert werden, indem sie  in die Lehrpläne der Schulen und Berufsschulen integriert wird.

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