Pressemitteilung

Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung hat sein Jahresgutachten 2016/17 an die Bundeskanzlerin übergeben. Es trägt den Titel:

Zeit für Reformen

Der Aufschwung in Deutschland und im Euro-Raum setzt sich fort. Für Deutschland rechnet der Sachverständigenrat mit Zuwachsraten des realen Bruttoinlandsprodukts von 1,9 % im Jahr 2016 und 1,3 % im Jahr 2017. Der Rückgang der Zuwachsrate ist vor allem auf einen Kalendereffekt zurückzuführen. Die zugrunde liegende Wachstumsdynamik bleibt im Wesentlichen erhalten. Damit gerät die deutsche Wirtschaft in eine zunehmende Überauslastung. Für den Euro-Raum prognostiziert der Sachverständigenrat ein reales Wachstum von 1,6 % im Jahr 2016 und 1,4 % im Jahr 2017.

Im Euro-Raum hat die außergewöhnlich expansive Geldpolitik der EZB wesentlich zum Aufschwung beigetragen. Da nach wie vor erhebliche strukturelle Probleme bestehen, ist der Aufschwung nicht selbsttragend. Der Reformeifer ist erlahmt, und einige Mitgliedstaaten lassen die notwendige Haushaltsdisziplin vermissen. Die Geldpolitik der EZB verdeckt diese Probleme und gefährdet zunehmend die Finanzmarktstabilität. Das Ausmaß der Lockerung ist angesichts der wirtschaftlichen Erholung nicht mehr angemessen. Die EZB sollte daher die Anleihekäufe verlangsamen und früher beenden.

„Die Mitgliedstaaten des Euro-Raums sollten jetzt den Rückenwind des Aufschwungs für Strukturreformen nutzen. Auch die Bundesregierung hat die gute ökonomische Entwicklung der vergangenen Jahre nicht ausreichend für marktorientierte Reformen genutzt“, sagt der Vorsitzende des Sachverständigenrates, Christoph M. Schmidt.

Deshalb skizziert der Sachverständigenrat Reformen für Europa und Deutschland.

Reformen für Europa:

  • Das Subsidiaritätsprinzip muss gestärkt werden. In der Klimapolitik, der Asylpolitik und der inneren Sicherheit ist eine stärkere Integration wünschenswert. Die Fiskal-, Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik sollten in nationaler Verantwortung bleiben.
  • Für EU-Migranten ist eine verzögerte Integration in die Sozialsysteme angemessen. Die vier Grundfreiheiten sollten aber nicht in Frage gestellt werden.
  • Die EU sollte die Freihandelsabkommen mit Kanada und mit den Vereinigten Staaten zum Abschluss bringen.
  • Die ungewichtete Eigenkapitalquote für Banken (Leverage Ratio) sollte auf mindestens 5 % erhöht werden. Für systemrelevante Banken sind höhere Quoten anzustreben.
  • Regeln zur Restrukturierung von Staatsschulden im Krisenfall sind erforderlich.

Reformen für Deutschland:

  • Haushaltsspielräume sollten nicht für höhere Ausgaben, sondern zum Abbau der Schuldenquote und für effizienzsteigernde Steuerreformen genutzt werden.
  • Bei der Gesetzlichen Rentenversicherung ist das gesetzliche Renteneintrittsalter an die fernere Lebenserwartung zu koppeln. Zusätzlich sollten die betriebliche und private Altersvorsorge gestärkt werden.
  • Die verfestigte Arbeitslosigkeit, die geringe Lohnmobilität und die Integration der Flüchtlinge erfordern einen flexiblen Arbeitsmarkt, nicht mehr Regulierung.
  • Eine zielgerichtete Bildungspolitik kann die Chancengerechtigkeit und damit die Einkommens- und Vermögensmobilität erhöhen.

Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung ist ein unabhängiges Gremium der wirtschaftswissenschaftlichen Politikberatung. Er besteht aus fünf Mitgliedern (derzeit Prof. Dr. Christoph M. Schmidt (Vorsitzender), Prof. Dr. Peter Bofinger, Prof. Dr. Lars P. Feld, Prof. Dr. Isabel Schnabel, Prof. Volker Wieland, Ph.D.).

Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung
E-Mail: presse@svr-wirtschaft.de
Internet: www.sachverstaendigenrat-wirtschaft.de
Das aktuelle Jahresgutachen finden Sie unter:
http://www.sachverstaendigenrat-wirtschaft.de/jahresgutachten-2016-2017.html
Ansprechpartnerin: Sabine Schmax, Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Tel. 0611/75-4694