- Pressemitteilung -

Wiesbaden, 9. November 2011

Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung legt heute sein Jahresgutachten 2011/12 vor. Es trägt den Titel

Verantwortung für Europa wahrnehmen

Die deutsche Wirtschaft sieht sich im Herbst 2011 hohen Risiken gegenüber. Im Euro-Raum hat sich die zunächst auf Griechenland begrenzte Schuldenkrise so stark ausgeweitet, dass es zu einem Teufelskreis aus Staatsschulden- und Bankenkrise gekommen ist. Einige Tendenzen erinnern fatal an die Situation nach der Lehman-Insolvenz im September 2008. Selbst die Beschlüsse des Euro-Gipfels vom 26. Oktober 2011, die prinzipiell in die richtige Richtung gingen, konnten die Finanzmärkte aufgrund neuer politischer Unwägbarkeiten nur für kurze Zeit beruhigen.

In den gesamtwirtschaftlichen Daten für die deutsche Wirtschaft hat sich dies bisher nur wenig niedergeschlagen. Auch wenn sich der nach der Krise des Jahres 2009 einsetzende Aufholprozess in der ersten Jahreshälfte 2011 merklich verlangsamt hat, dürfte im Jahresdurchschnitt 2011 mit einer Zuwachsrate des Bruttoinlandsprodukts von immerhin 3,0 vH zu rechnen sein. Dabei gehen die stärksten Auftriebskräfte – wie schon im Jahr 2010 – von der Binnennachfrage aus. In Anbetracht der wachsenden weltwirtschaftlichen Unsicherheiten und des unausweichlichen Konsolidierungsdrucks in fast allen Industrieländern ist für das Jahr 2012 nur noch ein Anstieg der Wirtschaftleistung um 0,9 vH zu erwarten. Aufgrund der nur schwer abschätzbaren Risiken, insbesondere bei der weiteren Entwicklung des Euro-Raums, hat der Sachverständigenrat zusätzlich Risikoszenarien durchgerechnet, bei denen es im ungünstigsten Fall sogar zu einem leichten Rückgang der Wirtschaftsleistung kommen könnte.

Bei der Bewältigung der Krise im Euro-Raum ist der deutschen Wirtschaftspolitik eine besondere Verantwortung zugewachsen. Sie hat sich dieser Herausforderung letztlich gestellt, insbesondere mit der deutlichen Ausweitung des Handlungsspielraums der EFSF. Aber man darf sich keinen Illusionen hingeben: Die langfristige Stabilisierung des Euro-Raums steht noch aus. Hier sind vor allem die Problemländer gefordert, die Konsolidierung konsequent fortzusetzen und notwendige Strukturreformen mutig in Angriff zu nehmen. Es ist nicht auszuschließen, dass diese Anstrengungen durch die allgemeine Verunsicherung der Investoren und steigende Risikoprämien unterlaufen werden

Für diesen Fall wird in diesem Gutachten das Konzept eines Europäischen Schuldentilgungspakts zur Diskussion gestellt. Er verbindet eine glaubwürdige Konsolidierungsperspektive mit einer umfassenden kurzfristigen Absicherung des europäischen Finanzsystems. Über die Stabilisierung des Euro-Raums hinaus stellen sich für die deutsche Wirtschaftspolitik wichtige Herausforderungen, die nur im europäischen Kontext erfolgreich gemeistert werden können. Es gilt, zentrale Reformen der Finanzmarktarchitektur voranzubringen und die Energiewende von der Kernkraft und fossilen Rohstoffen hin zu erneuerbaren Energien effizient zu gestalten. Die deutsche Wirtschaftspolitik muss in Europa der Motor für zukunftsweisende Strategien sein. Es geht um nicht weniger, als die Verantwortung für Europa wahrzunehmen.

 

Sachverständigenrat zur Begutachtung
der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung
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Zum Jahresgutachten 2011/12.