- Auswirkungen von Ukraine-Krieg und Energiekrise belasten private Haushalte und Unternehmen.
- Private Haushalte und Unternehmen zielgerichtet entlasten und Energiesparanreize erhalten.
- Schuldentragfähigkeit bislang nicht gefährdet, aber öffentliche Haushalte nicht überstrapazieren.
- Einkommensstarke Haushalte temporär stärker an der Finanzierung beteiligen, Abbau der kalten Progression verschieben.
Die stark gestiegenen Energiepreise belasten private Haushalte und Unternehmen. Eine zielgenaue Entlastung ist notwendig, um soziale Härten abzufedern und die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland nicht nachhaltig zu gefährden, ohne die öffentlichen Haushalte übermäßig zu belasten. Deshalb sollten die Entlastungsmaßnahmen möglichst zielgenau die privaten Haushalte entlasten, die von den hohen Energiepreisen betroffen sind, sie aber nicht verkraften können, und die Unternehmen, die in der mittleren Frist, bei höheren Energiepreisen als vor der Energiekrise, ein funktionierendes Geschäftsmodell haben. Dabei sollten jedoch die Anreize zum Energiesparen dringend erhalten bleiben.
Die öffentlichen Haushalte müssen gleichzeitig weitere Belastungen für zukunftsgerichtete Maßnahmen wie Energiesicherheit und Verteidigungsfähigkeit schultern. Zugleich wirken die fiskalischen Folgen der Corona-Pandemie noch nach. All diese Maßnahmen haben die Schuldenstandsquote der öffentlichen Haushalte ansteigen lassen. Dennoch ist die mittelfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Haushalte durch die zusätzliche Kreditaufnahme bisher nicht gefährdet. Denn: Die Schuldenstandsquote war vor den Krisen vergleichsweise niedrig. Zudem dürfte sie in den nächsten Jahren durch das inflationsbedingt hohe nominale Wirtschaftswachstum eher rückläufig sein.
In den Jahren 2020 bis 2022 waren die kreditfinanzierten Stabilisierungs- und Entlastungsmaßnahmen möglich, weil die Ausnahmeklausel der Schuldenbremse genutzt wurde. „Die ökonomischen Folgen des Angriffskrieges und die Energiekrise könnten das erneute Aussetzen der Schuldenbremse auch im Jahr 2023 rechtfertigen“, sagt Achim Truger, Mitglied des Sachverständigenrates Wirtschaft. Die Verschiebung von Finanzierungsaufgaben in das Sondervermögen Wirtschaftsstabilisierungsfonds trägt nicht zur Transparenz des Haushalts bei und ist deshalb kritisch zu sehen.
Aufgrund des starken Anstiegs der Energiepreise wurden umfangreiche Entlastungsmaßnahmen für Haushalte und Unternehmen beschlossen. Einzelne davon sind gezielt auf Haushalte mit geringen und mittleren Einkommen zugeschnitten. Eine Reihe breit angelegter Maßnahmen hingegen, wie etwa der Tankrabatt, die Umsatzsteuersenkung auf Erdgas oder die Energiepreispauschale für alle abhängig Beschäftigten, begünstigen auch einkommensstarke Haushalte, die hohe Preise eigentlich schultern können, und setzen teilweise Fehlanreize beim Energiesparen. Dadurch fallen die fiskalischen Belastungen sowie inflationstreibende Nachfrageimpulse höher als notwendig aus.
Vor diesem Hintergrund scheint der Zeitpunkt für den Abbau der kalten Progression ungünstig gewählt. Zwar ist ihr Abbau steuersystematisch grundsätzlich richtig, dennoch sollte er verschoben werden. Würde der Spitzensteuersatz zeitlich befristet erhöht oder etwa ein Energie-Solidaritätszuschlag für Besserverdienende eingeführt, könnten die Entlastungsmaßnahmen teilweise gegenfinanziert werden. Dies würde die Schuldenaufnahme begrenzen. Gleichzeitig würde so der inflationssteigernde Effekt der Entlastungen reduziert. Dadurch würde das Gesamtpaket von Entlastungen und Belastungen insgesamt zielgenauer.
Bisher fehlt ein Instrument, das eine zielgenaue, einkommensabhängige Entlastung von Haushalten in Form von Einmalzahlungen unbürokratisch und schnell erlaubt. Ein solches Instrument sollte dringend geschaffen werden.