PRESSEMITTEILUNG

Zwischen Hoffen und Bangen: Konjunkturschwäche und Chancen des Finanzpakets, bürokratische Hemmnisse und Strukturwandel

  • Deutschland befindet sich weiterhin in einer wirtschaftlichen Schwächephase. Das BIP dürfte in diesem Jahr stagnieren und im Jahr 2026 um 1,0 % wachsen.
  • Wenn die Mittel aus dem Finanzpaket für zusätzliche Investitionen verwendet werden, steigert dies mittelfristig das Wachstum. Schuldenfinanzierte Konsumausgaben sollten vermieden und institutionelle Vorkehrungen geschaffen werden, die eine investitions orientierte Verwendung der Mittel sicherstellen.
  • Unnötige Bürokratie sollte konsequenter als bislang abgebaut werden, um Unternehmen in großer Breite zu entlasten. Neue Regelungen sollten wirksam, nutzerfreundlich und vollzugstauglich sein, damit sie nicht zu zusätzlicher ineffizienter Bürokratie führen.
  • Der Strukturwandel beschleunigt sich und trifft in Zukunft auch bisher wirtschaftlich starke Regionen. Die laufenden Transformationsprozesse sollten durch Qualifizierungsmaßnahmen unterstützt und durch gezielte regionale Wirtschaftspolitik sollten Zukunftsperspektiven für besonders betroffene Regionen eröffnet werden.

Die deutsche Wirtschaft befindet sich weiterhin in einer ausgeprägten Schwächephase. Bürokratische Anforderungen und lange Genehmigungsverfahren bremsen das gesamtwirtschaftliche Wachstum. Der Strukturwandel beschleunigt sich und wird in Zukunft Branchen und Regionen erreichen, die bisher wirtschaftsstark waren. Die Zollpolitik von US-Präsident Donald Trump gefährdet das Wirtschaftswachstum weltweit. Das Finanzpaket bietet Chancen für eine Modernisierung der Infrastruktur und eine Rückkehr auf einen höheren Wachstumspfad.
Der Sachverständigenrat Wirtschaft diskutiert in seinem Frühjahrsgutachten 2025, wie eine investitionsorientierte Verwendung der Mittel aus dem Finanzpaket sichergestellt werden kann. Des Weiteren befasst sich der Rat damit, wie durch konsequenten Abbau überflüssiger Bürokratie Wachstumshemmnisse beseitigt werden können und wie Deutschland die regional unterschiedlichen Auswirkungen des Strukturwandels bewältigen kann.

„Die deutsche Wirtschaft wird in nächster Zeit maßgeblich von zwei Faktoren beeinflusst: der US-amerikanischen Zollpolitik und dem Finanzpaket“, erläutert Monika Schnitzer, Vorsitzende des Sachverständigenrates Wirtschaft. Die US-Zollpolitik belastet die ohnehin schwache deutsche Exportwirtschaft zusätzlich. Die deutschen Exporte dürften mit den sprunghaft und unberechenbar steigenden Zöllen noch weiter zurückgehen. Ab dem Jahr 2026 werden die durch das Finanzpaket bereitgestellten Mittel positive Impulse für Bau- und Ausrüstungsinvestitionen sowie den Staatskonsum setzen. Der private Konsum dürfte im Vergleich zu 2025 etwas stärker wachsen, da die verfügbaren Einkommen preisbereinigt stärker zunehmen. Der Sachverständigenrat Wirtschaft erwartet, dass das preisbereinigte Bruttoinlandsprodukt (BIP) in Deutschland in diesem Jahr stagniert (das entspricht einem Wachstum von 0,0 Prozent) und im Jahr 2026 um 1,0 Prozent steigt.

Die Verbraucherpreisinflation dürfte im Jahr 2025 durchschnittlich 2,1 Prozent betragen und im Jahr 2026 auf 2,0 Prozent leicht zurückgehen. „Die Märkte erwarten zwar Zinssenkungen, allerdings ist die Preisentwicklung aktuell besonders unsicher. So ist etwa ungewiss, ob die aktuellen Handelskonflikte die Inflation antreiben oder dämpfen. Auch eine expansive Fiskalpolitik in Deutschland könnte die Inflationserwartungen erhöhen und damit eine straffere Geldpolitik der EZB begünstigen“, erklärt Veronika Grimm, Mitglied im Sachverständigenrat Wirtschaft.

Chancen des Finanzpakets nutzen, Risiken vermeiden

Mit dem Finanzpaket sind Chancen verbunden, wenn die Mittel daraus überwiegend investitionsorientiert verwendet werden. So könnten versäumte Investitionen nachgeholt werden und Deutschland wieder auf einen Wachstumspfad gelangen. Verschiebungen aus dem Kernhaushalt sowie die Finanzierung bereits geplanter Investitionen sollten durch institutionelle Vorkehrungen vermieden werden. Für die Verteidigungsausgaben sieht das geänderte Grundgesetz einen Schwellenwert von 1 Prozent des BIP vor, ab dem Ausgaben außerhalb der Schuldenbremse kreditfinanziert werden können. Dieser Schwellenwert ist jedoch zu niedrig, da aus dem Kernhaushalt zuletzt deutlich mehr als 1 Prozent des BIP für Verteidigung ausgegeben wurde. Eine Mindestquote für Verteidigungsausgaben im Kernhaushalt in Höhe von mindestens 2 Prozent des BIP sollte gesetzlich verankert werden.
Beim Sondervermögen Infrastruktur sollte eine Investitionsquote in Höhe von mindestens 10 Prozent des Kernhaushalts in das Errichtungsgesetz aufgenommen werden. Angemessene Investitionsquoten sollten auch für die Zuweisungen aus dem Sondervermögen an den Klima- und Transformationsfonds (KTF) sowie an die Länder definiert werden.

Die Kompatibilität des Finanzpakets mit den EU-Fiskalregeln unterliegt hoher Unsicherheit. Realistischerweise kann sie nur mit einer starken Investitionsorientierung und begleitenden Strukturreformen erreicht werden. Eine starke Konsumorientierung der Ausgaben gefährdet die Vereinbarkeit mit den EU-Fiskalregeln und erhöht die Schuldenstandsquote deutlich stärker.

Bürokratieabbau beschleunigen, Verwaltung modernisieren

Der Abbau von Bürokratie in Deutschland muss beschleunigt werden. Trotz zahlreicher politischer Initiativen sind die Belastungen der Unternehmen mit Bürokratiekosten bisher nicht spürbar zurückgegangen. Für einen wirksamen Bürokratieabbau sind systematische Anpassungen notwendig, die Unternehmen in großer Breite entlasten. Dafür sollten verschiedene Prozesse gleichzeitig angestoßen werden: Abbau und (Teil-)Automatisierung von Informationspflichten, Beschleunigung von Antrags- und Genehmigungsverfahren, Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung sowie der Aufbau eines bundesweit einheitlichen E-Government-Portals. Neue Regelungen sollten wirksam, nutzerfreundlich und vollzugstauglich sein, damit sie nicht zu zusätzlicher ineffizienter Bürokratie führen.

Strukturwandel begleiten, Zukunftsperspektive entwickeln

Der Strukturwandel in Deutschland wird künftig auch Regionen erreichen, die bislang strukturbeständig und wirtschaftlich stabil waren. Besonders betroffen werden dabei Regionen mit einer hohen Spezialisierung auf das wissensintensive Verarbeitende Gewerbe wie die Automobilbranche oder die chemische Industrie sein. Die Wirtschaftspolitik sollte die Anpassung durch allgemeine wachstumsfördernde und regionalspezifische Maßnahmen unterstützen, die Zukunftsperspektiven für besonders betroffene Regionen entwickeln. Spezifische Fördermaßnahmen sollten sich auf Regionen konzentrieren, die kurzfristig von hoher Arbeitslosigkeit betroffen sein könnten. Dazu gehören eine Förderung von beruflichen Weiterbildungsangeboten oder Umschulungen, um den Wechsel in neue berufliche Tätigkeiten zu unterstützen und attraktiv zu machen.

Konjunktureller Ausblick für Deutschland und Europa
BIP in Deutschland und im Euro-Raum
Wirtschaftliche Eckdaten (in %)
1 – Prognose des Sachverständigenrates.  2 – Preisbereinigt.  3 – Registriert Arbeitslose in Relation zu allen zivilen Erwerbspersonen.  4 – Veränderung der Bruttolöhne und -gehälter (Inlandskonzept) je Arbeitnehmerstunde.  5 – In Relation zum nominalen BIP; Gebietskörperschaften und Sozialversicherung in der Abgrenzung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen.  6 – Werte basieren auf saison- und kalenderbereinigten Quartalswerten.  7 – Veränderung des Harmonisierten Verbraucherpreisindex.
Quellen: Eurostat, nationale Statistikämter, Statistisches Bundesamt, eigene Berechnungen
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