- In ihrer aktuellen Ausgestaltung ist die Schuldenbremse starrer, als es zur Aufrechterhaltung der Schuldentragfähigkeit notwendig ist. Sie beschränkt die fiskalischen Spielräume für zukunftsgerichtete Ausgaben unnötig stark.
- Die Schuldenbremse sollte an drei Stellen angepasst werden: Übergangsphase nach Notlage einführen, Defizitgrenzen bei niedrigen Schuldenstandsquoten erhöhen, Konjunkturbereinigung methodisch weniger revisionsanfällig gestalten.
- Eine solche Anpassung der Schuldenbremse erhöht die Flexibilität der Fiskalpolitik, ohne die Tragfähigkeit der Staatsfinanzen zu gefährden.
Der Sachverständigenrat Wirtschaft schlägt in seinem neuen Policy Brief einstimmig vor, die Schuldenbremse an drei Stellen anzupassen. „Die von uns vorgeschlagene Anpassung der Schuldenbremse erhöht die Flexibilität der Fiskalpolitik. Sie ermöglicht, zukunftsgerichtete öffentliche Ausgaben zu tätigen und den Übergang nach einer Notlage zu regeln, ohne die Tragfähigkeit der Staatsfinanzen auszuhöhlen“, erläutert Monika Schnitzer, Vorsitzende des Sachverständigenrates Wirtschaft.
Der Vorschlag des Sachverständigenrates sieht erstens vor, eine Übergangsphase für die Jahre unmittelbar nach der Anwendung der Ausnahmeklausel der Schuldenbremse einzuführen. In dieser Übergangsphase dürfte das zulässige strukturelle Defizit über der normalen Regelgrenze liegen, muss jedoch Jahr für Jahr zurückgeführt werden. Zweitens sollte die Regelgrenze für das jährliche strukturelle Defizit in Abhängigkeit von der Schuldenstandsquote gestaffelt und bei niedrigen Schuldenstandsquoten erhöht werden. Drittens sollte die Konjunkturbereinigung methodisch verbessert werden, um sie weniger revisionsanfällig zu machen und so eine konjunkturgerechtere Finanzpolitik zu ermöglichen.
Ausnahmeklausel durch Übergangsregelung ergänzen
Ökonomische Krisen können in den Folgejahren nach einer akuten Notlage noch erhebliche Auswirkungen auf eine Volkswirtschaft haben. Eine sofortige Konsolidierung des Staatshaushalts, um in diesen Jahren die Schuldenbremse wieder einzuhalten, könnte zu unnötig starken negativen Impulsen für eine noch schwächelnde Wirtschaft führen. Daher sollte die Ausnahmeklausel der Schuldenbremse um eine Übergangsregelung ergänzt werden. Diese sollte festlegen, dass die Neuverschuldung schrittweise reduziert wird, bis die Regelgrenze wieder erreicht ist. „Eine Übergangsregelung würde für zusätzliche fiskalische Spielräume zur Krisenbewältigung sorgen und gleichzeitig verhindern, dass ständig diskutiert wird, Notlagen auszurufen“, erklärt Ulrike Malmendier, Mitglied im Sachverständigenrat Wirtschaft.
Schuldenstandsabhängige Defizitgrenzen
Der Sachverständigenrat hat simuliert, wie sich die gesamtstaatliche Schuldenstandsquote langfristig verändert, wenn die bestehenden Regeln eingehalten werden. Dabei zeigt sich, dass die Staatsverschuldung stetig und deutlich sinkt, selbst wenn in jedem Jahr die mögliche Nettokreditaufnahme voll ausgeschöpft wird und zusätzlich regelmäßig Krisen mit höherer Kreditaufnahme auftreten. „Unsere Analyse zeigt, dass die Schuldenbremse starrer ist, als sie sein müsste. Die Defizitgrenzen könnten daher bei niedrigen Schuldenstandsquoten erhöht werden“, sagt Achim Truger, Mitglied im Sachverständigenrat Wirtschaft.
Der Sachverständigenrat schlägt vor, die Defizitgrenzen nach der Höhe der gesamtstaatlichen Schuldenstandsquote zu staffeln. Bei einer Schuldenstandsquote unter 60 Prozent des BIP sollte die Grenze für das strukturelle Defizit bei 1 Prozent des BIP liegen. Zwischen 60 Prozent und 90 Prozent sollte ein Defizit von 0,5 Prozent des BIP zulässig sein. Ab 90 Prozent Staatsverschuldung sollten nur noch die bisherigen 0,35 Prozent für das strukturelle Defizit erlaubt sein. „Defizitgrenzen, die bei niedrigen Schuldenstandsquoten eine höhere Kreditaufnahme erlauben als bisher, erweitern die fiskalischen Spielräume moderat, ohne die Tragfähigkeit zu gefährden“, sagt Veronika Grimm, Mitglied im Sachverständigenrat Wirtschaft.
Konjunkturbereinigung methodisch reformieren
Die Konjunkturbereinigung sollte so reformiert werden, dass der jeweilige konjunkturelle Bedarf besser abgebildet wird und Revisionen geringer ausfallen. „Eine Anpassung der Konjunkturbereinigung sollte den Verschuldungsspielraum nicht strukturell ausweiten, sondern zum Zeitpunkt der Haushaltsaufstellung den konjunkturell notwendigen Finanzbedarf besser abbilden“, erläutert Martin Werding, Mitglied im Sachverständigenrat Wirtschaft.