Für mehr Produktivitätswachstum: Die Digitalisierung vorantreiben und den Innovationsprozess stärken

Die Corona-Pandemie hat zu einem Digitalisierungsschub geführt. So konnten viele Unternehmen durch einen technologiegestützten Wechsel ins Homeoffice ihren Geschäftsbetrieb trotz Abstands- und Hygieneregeln aufrechterhalten. Gleichzeitig sind jedoch Defizite bei der Digitalisierung im Gesundheits- und Bildungswesen sowie in der öffentlichen Verwaltung in Deutschland deutlich geworden. Im Gesundheitswesen könnte ein rascher Ausbau der Digitalisierung in den kommunalen Gesundheitsämtern genutzt werden, um Meldewege effizienter zu gestalten. Herausforderungen bei der Schaffung digitaler Angebote im Gesundheitswesen zeigten sich besonders deutlich bei der Entwicklung der Corona-Warn-App, welche die in sie gesetzten Erwartungen bisher nicht umfassend erfüllen konnte. Ein verbesserter und zielgerichteter Einsatz digitaler Technologien könnte dazu beitragen, im weiteren Verlauf der Pandemie erneute Anstiege der Infektionszahlen einzudämmen.

Erheblicher Nachholbedarf im öffentlichen Sektor

Im Bildungssystem muss für den Fall erneuter Schulschließungen zumindest der Einsatz kurzfristig verfügbarer digitaler Angebote sichergestellt werden. Es besteht die Gefahr, dass ein länger anhaltender reduzierter Zugang zu Bildung die Kompetenzentwicklung und den zukünftigen Arbeitsmarkterfolg junger Menschen insbesondere in bildungsfernen Schichten schmälert. Bereits vor der Pandemie sollte mit der Einführung des DigitalPakt Schule durch den Bund im Jahr 2019 der Aufbau digitaler Lerninfrastrukturen an deutschen Schulen unterstützt und vorangetrieben werden. Von den 5 Mrd Euro an Fördermitteln des Bundes wurden bisher jedoch erst rund 5 % abgerufen. Ein wichtiger Grund dürfte die fehlende personelle Unterstützung in der Erstellung und Wartung der digitalen Infrastruktur und der Ausbildung der Lehrkräfte zur Nutzung digitaler Konzepte sein.

Eine stärkere Digitalisierung der Verwaltung und ein Ausbau des Angebots an E-Government könnten die Produktivität des öffentlichen Sektors erhöhen sowie einen Nachfrageimpuls für digitale Dienstleistungen erzeugen. Die Corona-Krise hat deutlich gemacht, dass hier erheblicher Nachholbedarf besteht. Umso dringender ist es, die Krise als Anlass zu nehmen, um hier aufzuholen. Das Konjunkturpaket könnte dabei helfen. Entscheidend für den Erfolg dieser Maßnahmen wird aber nicht allein die Höhe der verfügbaren Mittel, sondern vor allem die administrative Umsetzung sein.

Potenziale für die Produktivitätsentwicklung durch Digitalisierung

Digitale Technologien können aufgrund ihres Querschnittscharakters in nahezu allen Wirtschaftsbereichen die Produktivität und das Wachstum steigern. Um die Diffusion solcher Technologien zu beschleunigen und neue Geschäftsmodelle zu ermöglichen, sind weitere Investitionen in die digitale Infrastruktur und der Abbau bürokratischer Hürden bei deren Ausbau notwendig. Die im Konjunkturpaket vorgesehenen Maßnahmen können dazu beitragen, sollten aber rasch umgesetzt werden.

Bei plattformbasierten Geschäftsmodellen haben europäische Anbieter einen deutlichen Wettbewerbsnachteil, weil aufgrund des in Bezug auf Sprache, Institutionen und Rechtsprechung fragmentierten Heimatmarktes geringere Netzwerkeffekte erreicht werden. Um digitale Innovationen und Gründung von Start-ups zu fördern, sollten der europäische digitale Binnenmarkt vertieft und die wettbewerbliche Offenheit digitaler Märkte durch geeignete Wettbewerbsregeln sichergestellt werden.

Innovationsprozess für langfristiges Wachstum zentral

In der Entwicklung neuer digitaler Technologien war Deutschland in der Vergangenheit gut aufgestellt. Allerdings ist die Entwicklung beispielsweise im Bereich Künstlicher Intelligenz weniger dynamisch als in führenden Nationen wie den USA oder der Republik Korea.

In Deutschland konzentrieren sich die privatwirtschaftlichen Innovationsausgaben zunehmend auf große Unternehmen. Kleine und mittlere Unternehmen tragen im europäischen Vergleich weniger zu Innovationsaktivitäten bei. Ein immer stärkeres Hemmnis für die Innovationstätigkeit ist unter anderem der Fachkräftemangel. Bestehende Hemmnisse für diese Unternehmen sollten gezielt abgebaut und ihre Innovationstätigkeit unterstützt werden. Sowohl die Weiterentwicklung der steuerlichen Forschungszulage für kleine und mittlere Unternehmen als auch eine stärkere Verankerung von Innovationskriterien in der öffentlichen Beschaffung könnten dazu beitragen.

Gemäß seinem gesetzlichen Auftrag als nationaler Ausschuss für Produktivität analysiert der Sachverständigenrat die Faktoren eines anhaltenden Produktivitätswachstums sowie die Voraussetzung zur Steigerung von Wettbewerbsfähigkeit und Produktivität. In der vergangenen Woche hat er seinen jährlichen nationalen Produktivitätsbericht als Kapitel im Jahresgutachten 2020/21 veröffentlicht. Etwa 65 % des Wachstums der Arbeitsproduktivität in Deutschland können langfristig auf das Wachstum der Totalen Faktorproduktivität (TFP), das in engem Zusammenhang mit der Innovationstätigkeit steht, zurückgeführt werden. Das durchschnittliche jährliche Trendwachstum der TFP wird gemäß der Mittelfristprognose des Sachverständigenrates in den nächsten fünf Jahren 0,5 % betragen und somit auf niedrigem Niveau bleiben.