Gemeinsame Stellungnahme des Conseil d’analyse économique (CAE) und des Deutsch-Französischen Rates der Wirtschaftsexperten
Autoren sind:
Sylvain Chassang, Antoine Lopes, Ulrike Malmendier, Aurélien Saussay, Monika Schnitzer, Katheline Schubert, Milena Schwarz, Achim Truger, Martin Werding
Zusammenfassung
Die Dekarbonisierung des Straßengüterverkehrs ist für das Erreichen der EU-Klimaziele von entscheidender Bedeutung, da der Sektor nach wie vor ein großer Emittent von Treibhausgasen ist. Trotz ehrgeiziger Maßnahmen wie dem Europäischen Green Deal und Fit-for-55 bleiben die Emissionssenkungen im Verkehr hinter denen anderer Sektoren zurück. Die Emissionen im Verkehrssektor werden ohne entschlossene Maßnahmen voraussichtlich weiter steigen, was ihn zu einem der am wenigsten effizienten Sektoren macht. Der Straßengüterverkehr ist aufgrund seiner starken Abhängigkeit von dieselbetriebenen LKW hierbei besonders relevant.
Frankreich und Deutschland, die beiden größten Volkswirtschaften der EU, haben die besondere Verantwortung, bei der Dekarbonisierung des Güterverkehrs eine Vorreiterrolle zu übernehmen. Ihre starken wirtschaftlichen Verflechtungen führen zu erheblichen grenzüberschreitenden Verkehrsströmen sowie in der Folge zu gemeinsamen externen Effekten und politischen Herausforderungen. Eine Angleichung ihrer Strategien würde die nationale Politik stärken, die Interoperabilität der Infrastruktur verbessern und die EU-weite Angleichung der Rechtsvorschriften beschleunigen.
Verkehrsverlagerung, Nachfragereduzierung und Effizienzverbesserungen können zur Emissionsreduzierung beitragen. Allerdings wird dies aufgrund struktureller und betrieblicher Hürden nicht ausreichen, um kurz- und mittelfristig eine signifikante Dekarbonisierung zu erreichen. Der wirksamste Ansatz besteht darin, sich auf die Verringerung der Emissionen im Straßenverkehr selbst zu konzentrieren. Batteriebetriebene LKW entwickeln sich zur führenden Technologie, da sich die Batterieleistung rasch verbessert, die Kosten sinken und die Ladeinfrastruktur ausgebaut wird.
Weitere Herausforderungen sind die Notwendigkeit einer flächendeckenden Ladeinfrastruktur, die Anpassung der Logistikabläufe und die Sicherstellung der Netzkapazitäten zur Unterstützung der Hochleistungsladung. Öffentliche Mittel sollten den Aufbau von Schnellladenetzen entlang wichtiger Korridore und in privaten Depots beschleunigen. Wir empfehlen eine gezielte Unterstützung in der Anlaufphase, um schnell ein dichtes, zuverlässiges und interoperables Ladenetz aufzubauen, das den Flottenbetreibern das Vertrauen für Investitionen gibt. Eine Verstärkung der europäischen Forschung und Entwicklung im Bereich der Batterieleistung, der Schnellladetechnologien und der Substitution kritischer Rohstoffe wird ebenfalls von entscheidender Bedeutung sein. Gleichzeitig sollte die europäische Verordnung (AFIR) regelmäßig überprüft werden, um sicherzustellen, dass der Ausbau der Infrastruktur mit den technologischen Entwicklungen und der realistischen Marktnachfrage in Einklang steht.
Der Schienengüterverkehr sollte in die Dekarbonisierung des Sektors einbezogen werden. Allerdings ist die Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene aufgrund des fragmentierten europäischen Schienennetzes nur begrenzt möglich. Maßnahmen sollten sich auf Strecken konzentrieren, auf denen die Schiene wettbewerbsfähig ist: auf hochfrequentierten und grenzüberschreitenden Strecken. Investitionen in die Interoperabilität auf europäischer Ebene sind notwendig, um die Zuverlässigkeit und Attraktivität des Schienenverkehrs zu verbessern. Die EU sollte sicherstellen, dass sowohl das Emissionshandelssystem als auch die CO₂-abhängige LKW-Maut entsprechend hohe Anreize für die Speditionen bieten, damit die Wende weg vom Dieselkraftstoff gelingt. Die derzeitigen Preise bilden die ökologischen und gesellschaftlichen externen Kosten des Güterverkehrs nicht vollständig ab und tragen zu einem hohen Verkehrsaufkommen bei. Zugleich besteht Unsicherheit über die künftigen Preise für Kohlenstoffemissionen im Verkehrssektor. Die EU sollte daher einen einheitlichen Standard für die Internalisierung dieser externen Kosten durch eine klare Bepreisung von CO₂-Emissionen im Güterverkehr schaffen.
Empfehlungen im Überblick:
- Einheitliche CO₂-Bepreisung: Einführung eines europaweit harmonisierten politischen Rahmens zur Internalisierung externer Effekte des Güterverkehrs, um ineffizient hohe Verkehrsvolumen zu vermeiden. Planungssicherheit über zukünftige CO₂-Preise im Verkehrssektor gewährleisten.
- Bevorzugung batterieelektrischer LKW (BE-LKW): Priorisierung von BE-LKW als zentrale Technologie zur kurzfristigen Dekarbonisierung des Straßengüterverkehrs.
- Megawatt-Ladeinfrastruktur (MCS): Bereitstellung öffentlicher Mittel zur Beschleunigung des Ausbaus von MCS entlang von Autobahnen sowie in privaten Depots. Diese Förderung sollte auf die Phase der Markteinführung beschränkt bleiben.
- LKW-Industriepolitik und Forschung: Berücksichtigung ökologischer, wirtschaftlicher und sozialer Auswirkungen in der europäischen LKW-Industriepolitik zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des europäischen BE-LKW-Sektors. Öffentliche Unterstützung für Forschung, insbesondere zur Bewältigung technischer Herausforderungen bei MCS, in der frühen Marktphase.
- AFIR-Flexibilisierung: Überprüfung und Flexibilisierung der in der AFIR festgelegten Anforderungen an die Infrastruktur für alternative Kraftstoffe, um diese an technologische Entwicklungen und realistische Marktdynamiken anzupassen.
- Förderung des Schienengüterverkehrs: Konzentration öffentlicher Investitionen auf hochfrequentierte und grenzüberschreitende Korridore. Koordinierter Ausbau des Europäischen Eisenbahnverkehrsleitsystems (ERTMS) auf diesen Strecken sowie Stärkung der Interoperabilität durch eine gemeinsame Betriebssprache.